Lingenfeld.Steven Mathes (Bild) liebt sein Geschäft. Der 45-Jährige ist selbstständiger Reisebüroinhaber im rheinland-pfälzischen Lingenfeld. In der Corona-Zeit hat sich in seinem Alltag vieles geändert. Kurzarbeit für seine fünf Mitarbeiter, Homeoffice. Am Telefon oder per Mail bearbeiten sie Unmengen an Anfragen. Extrem viel Arbeit, ohne damit Geld zu verdienen. Und es macht sich zusätzlich Ärger breit.
Mathes ist Mitglied im Verband unabhängiger selbstständiger Reisebüros, der sich für einen Reise-Rettungsfonds seitens der Bundesregierung einsetzt – und sich vor allem gegen den vom Deutschen Reiseverband geforderten, für Kunden verpflichtenden Gutschein für stornierte Reisen gestellt hatte. Letzteren hat die EU-Kommission am Donnerstag abgewendet.
Was Mathes ärgert? Die Reisebüros seien gerade diejenigen, auf die die Kommunikation mit den teils verzweifelten Kunden abgewälzt werde. „Wir müssen die Menschen informieren – und es gibt kein einheitliches System.“ Wer bekommt wann sein Geld zurück? Wer bietet welche Zusatzleistung etwa für eine Umbuchung seiner Reise? Er wünscht sich mehr Solidarität in der Branche. Die Veranstalter sollen sich, seiner Meinung nach, nicht gegenseitig überbieten. Sondern an einem Tisch gemeinsam ein Konzept erarbeiten, mit dem man die Kunden beruhigen kann. Aber:„Es gibt Veranstalter – vor allem die beiden Großen in der Branche –, die auf Zeit spielen.“ Und das beschäftigt den Unternehmer. Auch emotional. „Ich habe einen Kunden, dessen Thailand-Reise storniert wurde“, erzählt Mathes. „Eine ganze Familie. Der Vater wurde 80. Sie wollten noch einmal zusammen dort hin. 15 000 Euro.“ Diese Familie habe wochenlang um ihr Geld gebangt. Ein Gutschein für solch einen familiären Meilenstein? „Wie soll ich da sagen: ,Tut mir leid, müsst ihr halt wann anders fliegen’?“ Nach dem Entscheid der EU-Kommission steht jetzt fest: Sie bekommen ihr Geld zurück. Das ist nur ein Beispiel. Der 45-Jährige erfährt von vielen Einzelschicksalen. „Bei mir weinen die Menschen am Telefon.“
Daneben haben 20 Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsratsvorsitzende und Beiräte von zwölf Reisebüroorganisationen die Bundesregierung in einem offenen Brief aufgefordert, den stationären deutschen Reisevertrieb mit einem eigenen Rettungsmodell zu unterstützen. Die Unterzeichner wollten sich auch für staatlich abgesicherte Gutscheine als Lösung zur vorübergehenden Liquiditätshilfe einsetzen. Auch einen staatlichen Hilfsfonds forderten sie.
Der Brief schildert die dramatische Lage im stationären deutschen Reisevertrieb: „Wenn nicht schnell gehandelt wird, läuft die deutsche Gesellschaft Gefahr, bald keine echten Anlaufstellen mehr für ihre Fragen rund um das Thema Reisen zu besitzen“, heißt es darin. „Bis auf die Gutschein-Forderung unterstreiche ich die Aussagen“, sagt der Lingenfelder Mathes. (Bild: Julia Nutz)